Pictures

Fotografen besaßen schon immer meinen größten Respekt. Sie versuchen mit einer einzigen Aufnahme so viele Aussagen zu treffen und Emotionen zu zeigen, wie es nur irgendwie möglich ist. So wollen sie ein breites Spektrum ansprechen und das Publik machen, was zu sehen ist.


Dieser Job hat mich schon immer sehr fasziniert. So sehr, dass ich selbst nach dem Schulabschluss Fotografie studierte und nun als Fotografin in einem kleinen Studio in New York City arbeite. Aufgrund meiner mangelnden Berufserfahrung assistiere ich momentan häufig bei den zwei Fotografen und den Chef oder übernehme kleinere, unwichtigere Aufträge.


Zwar ist das Studio nicht allzu bekannt, jedoch haben wir genug Aufträge alle Rechnungen zu begleichen. Mir macht meine Arbeit auch Spaß und dies ist doch alles was zählt.


Durchaus habe ich auch Ziele, beziehungsweise Träume, die ich in meinem Job schaffen möchte. Irgendwann möchte ich jemanden von den ganz Großen fotografieren. Am besten einer von meinem Lieblingsschauspielern, wobei dort die Auswahl riesig ist. Grob gesagt kann ich hier den ganzen Marvel Cast nennen. Doch einen von ihnen zu fotografieren, dass ist für mich wie "Neapel sehen und sterben". Jedoch sehe ich niemals kommen, dass sich da eine Chance ergeben wird. Mein Können ist (noch) nicht so gut, dass ich einem größeren Studio anfangen könnte. Und eigentlich will ich auch nicht hier weg.


New York City ist meine Heimat. Ich bin hier aufgewachsen, habe hier studiert und möchte hier auch noch ein Weilchen bleiben, bevor ich die Welt erkunde. Da ist man als Fotografin glücklicherweise flexibel.


Was ich jedoch niemals ahnte war dieser eine verhängnisvolle Anruf von meinem Chef Pietro: "Hey Maisie, bist du gerade frei?" Von meinem Bett aus erhasche ich einen Blick auf die Uhr auf meinem Nachttisch. Es ist 11:39 Uhr. Und ich sitze noch mit meinem Schlafanzug im Bett und schaue Brooklyn Nine-Nine während ich trockene Cornflakes mampfe. Mhh, bin ich an meinem freien Tag wirklich frei?


"Definiere frei, Pietro", antworte ich lächelnd. Er versteht schon meinen Humor, schließlich ist er der coolste Chef, den man haben kann. Ich kann förmlich sehen, wie er seinen Kopf schüttelt. "Maja und James sind im Urlaub in Mississippi und wir haben eben einen echt dringenden Auftrag rein bekommen. Ich brauche dich als Assistentin Mai, auch wenn heute dein freier Tag ist und du dir den echt verdient hast. Aber hier ist jetzt echt die Kacke am Dampfen und ich brauche dich und dein Talent wirklich."


Wow, wenn er schon so fleht, dann ist es wirklich wichtig. Seufzend erhebe ich mich und sage: "Gib mir 10 Minuten, wenn ich in Jogginghose kommen darf. Ansonsten läuft es auf 25 hinaus. Und dafür gucken wir beim nächsten Filmabend Harry Potter." "Danke danke danke, du bist echt die Beste, Maisie. Lass die Jogger Zuhause, es ist ein wichtiger Auftrag. Du kriegst sogar 40 Minuten, wenn du in vernünftiger Kleidung kommst", spricht Pietro aufamtend und legt dann auf.


Okay, dann lassen wir mich mal wieder wie einen Menschen aussehen. Kurz darauf habe ich meine schulterlangen dunkelblonden Haare gebürstet, habe den Kopf über meine Augenringe geschüttelt und befinde mich nun in eine schwarze Skinny Jeans und einem dunkelroten Pullover mit dem Logo und dem Namen des Studios. Kurz darauf düse ich mit meinem Fahrrad los und fahre zu dem Gebäude in Manhattan, in dem unser kleines Studio seinen Platz und Raum hat.


Genau 28 Minuten nach dem Ende des Telefongesprächs stehe ich vor der Tür und öffne sie. "Pietrohooo, ich habe nur 28 Minuten gebraucht, bekomme ich sie irgendwann mal gut geschrieben, falls ich mal zu spät komme?" rufe ich fröhlich. Mehrere Lacher kommen zurück. Warte, mehrere?!


"Wenn, Schätzchen, wenn du zu spät kommst, nicht falls. Du kennst dich selber Maisie", sagt Pietro und geht von der Küche aus zu mir, um mich zu empfangen. Für einen Italiener klassisch haucht er mir einen Kuss auf beide Wangen, bevor er mein Outfit mustert. "Schlicht und einfach, wie immer Mai. Du kannst doch so viel mehr aus dir herausholen, wenn wir zusammen mal einkaufen gehen würden. Du hast eine so tolle Ausstrahlung, Schätzchen. Wieso machst du dir das kaputt?"


Lachend schüttel ich den Kopf und binde nun meine Haare doch zu eine Pferdeschwanz. "Weil ich mich so am Wohlsten fühle, Pietro. Verstehe das doch mal", antworte ich und sehe mich um, "Soll ich das Fotostudio schon mal vorbereiten?" "Mach das. Danach kommst du bitte in die Küche", ordert mein dunkelhaariger Chef. Nickend nehme ich es zur Kenntnis und mache mich an die Arbeit Lichter, Hintergründe, Stative und Kameras aufzustellen. Nebenbei schieße ich mit dem Selbstauslöser Probefotos, was mir immer wieder extrem viel Spaß macht.


Da ich bei solchen Sachen immer Musik höre, nehme ich von meiner Umgebung nichts wahr. Unbekümmert stelle ich fein säuberlich die letzten Objektive in einer Reihe auf den Tisch und nehme einen Kopfhörer auf meinem Ohr. Mein Werk nochmal zufrieden betrachtend rufe ich in Richtung Küche: "Ich hab' fertig!"


Als ich diese betrete, traute ich jedoch meinen eigenen Augen nicht. Dort, auf meinem Platz, sitzt jemand mir fremdes und gleichzeitig vertrautes. Erschrocken blicke ich Pietro an. Er erwidert nur: "Maisie, darf ich vorstellen: Tom Holland und Harrison Osterfield, zwei Jungs aus London und beide Schauspieler. Und beide sind noch Jungesellen, Schätzchen." Lächelnd fügt er den Rest hinten dran. Ungläubig schüttel ich den Kopf und gehe auf unsere Gäste zu.


"Hallo, mein Name ist Maisie Smith, Maisie reicht aber vollkommen", sage ich lächelnd und schüttel zuerst Harrisons Hand. Der zieht mich jedoch sofort in eine Umarmung. "Pietros Freunde sind auch meine Freunde", erklärt er in einem starken britischen Akzent. Danach drehe ich mich zu dem anderen Jungen.


"Du sitzt auf meinem Platz, Spiderboy." Mit großen Augen und leicht geröteten Wangen schaut mich Tom an. "Oh was? Das äh, das tut mir leid, Darling. Das wusste ich nicht," dann steht er auf und fährt fort: "I-ich bin Tom. Maisie ist ein extrem cooler Name, der passt e-echt zu dir. Also nicht, dass ich jetzt schon urteilen will oder sowas, es ist einfach-" "Ok Tom, wir wissen, dass du Peter Parker spielst. Da musst du ihn nicht auch in deiner Freizeit imitieren", unterbricht sein bester Freund ihn.


Lächelnd halte ich Tom meine Hand hin: "Hey, danke. Ich finde deine Performance als Peter und Spider-Man extrem gut. Aber deine Rolle in 'A Heart in the Sea' war auch mindblowing für mich. Es freut mich eins meiner Idole kennen zu lernen." Nun vollkommen rot angelaufen schüttelt er meine Hand und bedankt sich für die Komplimente.


Ja, er ist eigentlich mein größtes Vorbild. Aber ich muss es cool spielen. Schließlich kann ich vor einem Kunden nicht komplett in den Fangirlmodus wechseln. Das ist zu unprofessionell, sogar ich als Neuling weiß dies.


"So, wenn nun jeder jeden kennt, können wir beginnen. Mai, machst du zunächst Ausleuchtungen? Danach können wir auch wechseln, die Jungs sind Bekannte von mir und haben heute viel Zeit eingepackt." Verschmitzt grinst mein Chef mich an. Warte, hat der Klappstuhl nicht vorhin von Kacke am Dampfen erzählt? Dieser miese...!


"Natürlich Cheffe, wie du es wünscht", antworte ich zuckersüß. Das war alles von ihm geplant. Schließlich weiß Pietro selbst, wie sehr ich den Typen vergöttere. Und plötzlich darf ich den auch fotografieren. Das ist ein ganz linkes Ding.


Aber ich will mich nicht beschweren, da vor allem solche Fotoshootings hilfreich in der Sammlung von Erfahrungen sind. Also mache ich mich an die Arbeit, nachdem Tom frisch umgezogen bereit ist zu posen. 


Eines ist bei uns wichtig zu wissen: Unsere Bilder werden nie komplett gestellt. Wenn eine Person auf dem Foto lacht, dann hat einer von uns einen Witz gerissen oder ähnliches. Wir versuchen das Model so zu treffen, wie es sich natürlich gibt. Nur auf diese Art und Weise erhält man Authentizität und das Bild gibt einen bestimmten Vibe von sich Schwer zu erklären, wenn man es nicht direkt vor Augen hat.


"So, ich denke es ist jetzt Zeit für eine Pause. Danach darfst du dann die Kamera übernehmen, Maisie", beschließt Pietro lächelnd. Nickend nehme ich das Statement zur Kenntnis. Zusammen mit dem Besuch gehen wir in die Küche und ich mache sowohl die Kaffeemaschine, als auch den Wasserkocher an.


"Wollt ihr lieber Tee oder Kaffee?", frage ich an Tom und Harrison gewandt. Lächelnd antwortet die Spinne für seinen Freund und sich: "Tee gerne. Ich dachte, dass wäre durch Klischees schon offensichtlich und trivial." "Oh, falsches Thema. Wenn wir jetzt mit Vorurteilen beginnen, dann kann Maisie bis morgen darüber reden, stimmt's Schätzchen?", erzählt mein Chef.


Augenrollend verteidige ich mich: "Was kann ich dafür, dass ich sie hasse? Das Schubladendenken sollte sofort ein Ende haben. Oder sollte ich meinen Job kündigen und mich Zwangsverheiraten lassen, weil ich ein Mädchen bin und zum 'schwächeren' Geschlecht zähle? Oder trägst du in deiner Freizeit Frauenkleider, weil du schwul bist, Pietro? Nur weil ich das eine bin, muss das andere nicht stimmen. Ein deutscher Freund von mir trinkt gar keinen Alkohol. Also kann ich nicht davon ausgehen, dass alle Briten Tee trinken."


Während meines Monologes habe ich die Getränke vorbereitet und stelle jedem seine Tasse hin.


Nach einigen weiteren Gesprächen über Gott und die Welt beginnen wir mit dem zweien eil des Shootings. Als wir den Raum betreten, instruiere ich Tom sich einfach auf einen Stuhl zu setzen und es sich bequem zu machen. Ich hole mir einen dazu und sage: "Nun erzähle mir etwas von deiner größten Leidenschaft. Was macht dir daran so viel Spaß? Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt, diese Leidenschaft zu beenden?"


Mit leuchtenden Augen und leicht geröteten Wangen beginnt Tom zu erzählen. Zuerst übers Schauspiel, dann übers Tanzen und weitere Interessen, wie Sport oder Singen. Dabei redet er immer angeregter und seine Gestiken werden immer größer. Nebenbei knipse ich unbemerkt Fotos.


Als nächstes setze ich Harrison auf den Stuhl und lasse Tom weiter berichten. Nun sind wir bei Tessa als Gesprächsthema angekommen. Währenddessen nutze ich verschiedene Winkel und Höhen für weitere Perspektiven. Nach einiger Zeit schaue ich zu Pietro, der mich dann strahlend nickt.


"Ok, ich bin dann fertig. Vielen Dank Tom, dass du mein Versuchsobjekt warst", beende ich das Shooting. Verwirrt schaut er mich an: "Wir sind schon fertig? Soll ich nicht andere Posen einnehmen oder sowas?" Ich schüttel meinen Kopf: "Nein, das hast du schon unterbewusst getan. Da du dich bequem hinsetzen sollst, änderst du ständig die Haltung. Also habe ich alles, was ich brauche."


Wenig später habe ich wieder alles zusammengeräumt, als jemand reinkommt. Aus meinen Gedanken gerissen hebe ich die Stange des Statives, welches ich gerade in der Hand hatte, und rufe: "Trete zurück, Sterblicher, oder die allmächtige Stange der Maisie, 23821. ihres Namens, möge dich treffen!" Dann erst erkenne ich, dass es der jemand Tom ist. Augenblicklich laufen meine Ohren rot an. Abwehrend hebt er seine Hände: "Alles klar, eure Hoheit, ich bleibe auch hier. Aber ich fand Eure Art des Fotoshootings extrem erfrischend und freue mich schon auf die Ergebnisse. In diesem Zuge wollte ich nach Eurer Nummer f-fragen, da ich darauf erpicht bin weitere solcher Arbeiten mit Euch durchzuführen."


Schnell lege ich die Stange zur Seite und und gebe ihm nach einer Entschuldigung die Visitenkarte des Studios. "Nein nein", meint er darauf, "Ich möchte deine Nummer haben. Vielleicht können wir bei einem Kaffee-nee lieber Tee- weitere Sachen absprechen? Wir können auch etwas essen gehen, was total ohne Schubladendenken von einer anderen Person gekocht wurde."


Lächelnd schreibe ich auf die Rückseite meine Nummer. Kurz danach müssen wir unsere beiden Gäste auch schon verabschieden.


Nach einem weiteren Tee/Kaffee in der Küche offenbart mein Chef: "Harrison und ich haben das schon vor Monaten geplant."


Es ist nicht nötig zu erwähnen, dass ich nun ein lebenslanges Recht besitze, ohne Ärger zu spät zu kommen.

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