Der Matrosenanzug und das Blümchenkleid


Heute ist es soweit, heute kommt Simi endlich wieder zurück. Es war mittlerweile die letzte Ferienwoche und ich hatte mich noch nie so sehr auf das Ende der Ferien gefreut. Mit meinem Board unterm Arm wollte ich grade das Haus verlassen, als mich meine Mutter aufhielt "Wo solls denn jetzt noch hingehen junge Dame?" "Simi ist doch heute zurück gekommen, sie hat mir grad geschrieben, dass ich vorbei kommen kann" ich griff schon zur Türklinke, doch meine Mutter hielt mich erneut auf "Es ist schon zu spät, du kannst sie auch morgen noch besuchen gehen." "Aber Mum, ich will sie heute noch sehen, ich könnte doch auch bei übernachten. Die ganzen Ferien hab ich sie schon nicht gesehen, Biteeeee" ich ging schon förmlich auf die Knie vor ihr und es schien zum Ersten Mal zu funktionieren, denn sie seufzte und nickte mit dem Kopf "Danke, du bist die Beste!" mit diesen Worten war ich aus dem Haus verschwunden und sprang auf mein Skateboard.

Ich war so aufgeregt Simi endlich wieder zu sehen und ihre Familie kennenzulernen, denn obwohl wir uns schon fast ein halbes Jahr kannten, war ich noch nie bei ihr zu Hause gewesen. Ich wusste nur, dass sie vier Geschwister hatte und ihre große Schwester in Frankfurt studierte. Als ich an dem Hochhaus ankam klingelte ich und sofort wurde mir die Tür geöffnet. Schnell ging ich hinein und wollte zum Fahrstuhl, bemerkte jedoch, dass er außer Betrieb war. Seufzend begab ich mich also zu den Treppen. Im achten Stock angekommen wurde ich auch schon von einer, mich stürmisch umarmenden, Simone begrüßt. "Ich hab dich so vermisst! Es war so langweilig und anstrengend. Ich musste mir mit meinen drei Geschwistern ein Zimmer teilen" lachend entgegnete ich nur "Auch schön dich zu sehen. Glaub mir, mir ging es nicht anders. Mein kleiner Bruder, meine Mutter und die Trottel hielten mich ganz schön auf Trapp." "Na dann, komm erstmal rein." Simi zeigte mir ihre kleine Wohnung und stellte mich ihren Elter und ihren kleinen Geschwistern Ben und Amelie vor, ihr großer Bruder Wilson hing wieder mit seiner Skatergang ab. Danach gingen wir in ihr Zimmer, es war zwar sehr klein, aber trotzdem gemütlich. "So dann erzähl mal" 

Ich begann ihr alles erneut zu erzählen, von meinem ersten Treffen mit Vanessa (und Hadschi natürlich) bis zu dem Spiel gegen die unbesiegbaren Sieger, und wie ich danach nichts mehr mit den Trotteln, mit Ausnahme von Vanessa natürlich, zu tun hatte, da ich in ihren Augen immer noch die Prinzessin war. Selbst die Sache mit Markus an der Megamonsterhöllenklippe erzählte ich ihr bis ins kleinste Detail, woraufhin sie sich nur einen schlapp lachte und ich sie mit einem Kissen abwarf. Lange hatte ich schon nicht mehr so viel und vor allem so ehrlich gelacht und jetzt wusste ich es zu 100 Prozent, Simi war meine aller beste Freundin und würde es auch immer bleiben. 

Den ganzen nächsten Tag verbrachten wir mit Skaten und ich muss zugeben, weitdem ich mit Simi übe werde ich immer besser, den Ollie (ein Sprung mit dem Skateboard, wobei die Füße noch auf dem Board bleiben) konnte ich mittlerweile so ziemlich perfekt und konnte diesen auch anwenden um Treppen hoch oder runter zu kommen. Ich wollte Simi auch eigentlich mit zu Hadschi nehmen, um ihr mein mittlerweile fertiggestelltes Skateboard zu zeigen, aber anscheinend waren wir schon zu spät, da die Werkstatt verschlossen war und Hadschi nicht auffindbar war. Deshalb beschlossen wir noch ein paar Runden die Straßen entlang zu fahren und uns dann jeweils nach Hause zu begeben, da es doch schon ziemlich spät war. 

Zu Hause angekommen, seufzte ich erstmal glücklich, zog meine Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer, wo ich auf meinen Bruder traf, welcher sofort mit dem angsterfülltesten Gesicht zu mir gerannt kam "Eli, Hilfe, wir brauchen einen Plan! Wir können krank spielen, oder einfach abhauen, oder" etwas überfordert unterbrach ich ihn "Was ist denn los?" Die Hexe ist los! Sie will mich morgen zu ihrem Treffen mit ihren Freundinnen mitnehmen, sie wird mich in den Matrosenanzug stecken!" Ich konnte nicht anders als prustend loszulachen, mein Bruder und sein Matrosenanzug das war was, was man gesehen haben muss "Lach nicht so blöd, dich will sie auch mitnehmen und morgen früh sogar noch mit dir shoppen gehen!" nun war er es, der mich und meinen entgeisterten Ausdruck auslachte. 

So saß ich hier mit meinem Bruder und meiner Mutter im Auto auf dem Weg in irgendein überteuertes Restaurant, er in seinem Matrosenanzug und ich in meinem neu gekauften weißem Kleid mit rosa Blümchen. Im Auto herrschte eine angespannte Stimmung, da wir zu spät dran waren, weil mein Bruder und ich uns weigerten diese Klamotten anzuziehen, weshalb meine Mutter nun mehr als angepisst war. Ich war ebenfalls nicht von bester Laune, da das Shoppen mit meinr Mutter den ganzen Vormittag gedauert hatte und sie mich dann nicht mal in die Werkstatt ließ, weil sie sich, um es in ihren Worten auszudrücken, nicht darauf verlassen konnte, dass ich rechtzeitig zurück war um mich fertig zu machen und die Werkstatt eh nichts für ein Mädchen wie mich wäre. Meine Mutter hatte schon immer die perfekte Vorstellung von unserer Familie, vor allem von mir und meinem Bruder, weshalb sie immer versuchte uns in ihre Welt zu bringen, obwohl sie genau wusste, dass dies niemals passieren würde. 

Generell fragte ich mit wem meine Mutter sich überhaupt vorhatte zu treffen, klar wir waren schon etwas länger hier, aber meine Mutter war nie die beste im Bekanntschaften machen. Früher hatte sie ihre fünf Freundinnen mit denen sie sich einmal im Monat, teilweise mit uns Kindern teilweise ohne, traf aber das wars dann auch "Woher kennst du die eigentlich alle?" "Also erstmal sind das nicht 'die', sondern meine Freunde und wir kennen uns aus dem Buchclub." Gedankenverloren nickte ich und machte mich schon mal auf unseren 'Auftritt' bereit. Bei solchen Treffen musste ich immer die perfekte Tochter spielen und ich konnte dies mittlerweile auch ziemlich gut, nur mein Bruder machte teils Probleme. Ich hoffte einfach darauf, dass ich mich mit den Leuten über Bücher und belangloses Zeug unterhalten konnte und der Abend möglichst schnell vorbei geht.

"Benehmt euch." mit diesen Worten stieg meine Mutter aus dem Auto, mein Bruder und ich, mein Kleid glattstreichend, ihr hinterher. Als wir das Restaurant betraten, umhüllte mich sofort der genüssliche Geruch von frisch zubereitetem Essen und ich wusste nicht ob ich es mir einbildete, aber direkt in dem Moment knurrte mein Magen und mir wurde Bewusst wie viel Hunger ich doch eigentlich hatte. Während wir dem Kellner zu unserem Raum folgten sah ich mich etwas um und musste feststellen, dass dieses Restaurant wirklich umwerfend war. Die schon fast Kronleuchter ähnlichen Lampen schienen angenehm gelblich auf die gedeckten, bzw. mit Menschen besetzten, Tische. Ebenso die ganzen hölzernen Verzierungen passten perfekt dazu und übermittelten den älteren Touch, den man auch schon von außen erkannt hat. Als wir vor einer großen Tür zum Stehen kamen merkte ich wie sich eine kleine Hand um meine wickelte und ich schaute zu meinem Bruder herunter, der alles andere als begeistert aussah. "Hey, reiß dich zusammen. Wir bringen des jetzt hinter uns und können später, wenn du dich gut benommen hast, einen Film bei mir kucken, ja?" mit einem leichten ausgeübten Druck auf seine Hand unterstützte ich meine Aussage und erhielt ein etwas freudigeres Lächeln meines kleinen Bruders. Immer noch Hände haltend betraten wir nach unserer Mutter den gut gefüllten Raum und mein Blick ging direkt zu einer Person, welche als einzige an dem Kindertisch saß. Sie war so bekannt, doch trotzdem sah sie anders aus.

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